Androzentrismus

Der Begriff „Androzentrismus“ setzt sich aus den griechischen Begriffen für „Mann“ und „Mittelpunkt“ zusammen und bezeichnet eine Sichtweise bzw. Ideologie, die Männer und ihre Bedürfnisse bzw. Männlichkeit und damit verbundene Normen, Werte usw. als Maßstab setzt. Androzentrismus lässt sich mit „Männerzentriertheit“ übersetzen und ist typisch für patriarchale   Gesellschaften oder Kulturen und eine Grundlage für Sexismus, also der Benachteiligung von Frauen aufgrund ihres Geschlechts. In einer erweiterten Definition kann sowohl Androzentrismus als auch Sexismus auch die Nichtbeachtung bzw. Benachteiligung von Frauen und allen anderen nichtmännlichen Geschlechtern wie TIN* meinen.

Ein Beispiel für Androzentrismus ist das sogenannte generische Maskulinum in der deutschen Sprache, weil es Männer als Standardreferenz setzt und Frauen und andere unsichtbar macht. In vielen wissenschaftlichen Disziplinen wurde lange und wird teilweise weiterhin vor allem aus einem männerzentrierten Blick geforscht, z.B. in der Geschichte, die vor allem die Politik herrschender männlicher Eliten untersucht hat, anstatt z.B. die Bereiche, in denen Frauen von größerer Bedeutung waren. Androzentrismus ist im Gegensatz zu explizitem Sexismus oder offenem Frauenhass ein eher schwer zu fassendes Phänomen. In der Regel wird die Zentrierung von Männern und männlichen Perspektiven als neutral, universell und allgemein menschlich dargestellt und somit verschleiert, dass bei universalistischen Konzepten und Idealen nicht die Perspektiven und Lebenslagen aller Menschen die Grundlage bilden, sondern nur (bestimmter) männlicher. Dass das vermeintlich Allgemeine tatsächlich androzentrisch ist, zeigt sich u.a. daran, dass, wenn in den Wissenschaften die Erfahrungen von Frauen untersucht werden, dies als Sonderbereich gekennzeichnet wird, z.B. als Frauengeschichte, Frauenliteratur oder Frauenforschung. Ein ähnliches Beispiel wäre der Begriff „Frauenfußball“, der deutlich macht, dass „Fußball“ eben kein geschlechtsneutraler Begriff ist, sondern sich dahinter eigentlich nur Männerfußball verbirgt. In der Medizin galt und gilt der (endo, cis) Männerkörper als Standardmaß, während weibliche, inter* und trans* Körper und ihre spezifischen Bedarfe als besonders oder gar krankhaft verstanden wurden.

Wichtig ist hier die Ergänzung einer intersektionalen   Analyse, da ein solcher androzentrischer Universalismus gleichzeitig auch implizit auf weißen, nicht-behinderten, endo cis usw. Körpern und Perspektiven basiert. So ist z.B. Lohnarbeit an einem fiktiven männlichen, aber auch leistungsfähigen Standardsubjekt ausgerichtet, nicht an Personen, die Lohnarbeit mit Care-Arbeit verbinden müssen, die körperliche oder kognitive Einschränkungen haben usw. Androzentrismus verbindet sich also z.B. mit dem Ideal des perfekten Körpers oder dem Eurozentrismus.

2023
Robin Bauer

Literatur

  • Janowski, J.C. (2015). Androzentrik/Androzentrismus. In: Religion in Geschichte und Gegenwart Online. Brill. https://doi.org/10.1163/2405-8262_rgg4_SIM_00701
  • Kahlert, Heike (2002): Androzentrik/Androzentrismus. In: Kroll, Renate (Hrsg.): Metzler Lexikon Gender Studies/Geschlechterforschung. Ansätze – Personen – Grundbegriffe. Stuttgart/Weimar: Metzler, S. 10-11.