Anti-schwarzer Rassismus
Glossarbeitrag: Anti-schwarzer Rassismus: Von kolonialen Mythen zur globalen Bewegung
Anti-schwarzer Rassismus (ASR) ist eine spezifische Form des Rassismus, die sich gegen Menschen afrikanischer Herkunft oder solche, die als Schwarz wahrgenommen werden, richtet und auf historischen Vorurteilen basiert. Diese Ideologien stellen Schwarze Menschen als minderwertig, bedrohlich und kriminell dar. ASR ist nicht nur individuelles Vorurteil, sondern auch strukturell verankert und zeigt sich in Bereichen wie Bildung, Arbeitsmarkt, Gesundheit und Justiz. Es betrifft nicht nur Menschen mit sichtbarer Hautfarbe, sondern auch solche, die durch vermeintliche Merkmale als Schwarz markiert werden. Dennoch werden äußere Merkmale in rassistischen Diskriminierungen gegen Schwarze Menschen stark und offensichtlich berücksichtigt.
Die Wurzeln des anti-schwarzen Rassismus liegen tief in der Geschichte, insbesondere im Mythos des „Fluchs über Ham“, einer biblischen Erzählung, die fälschlicherweise mit der Hautfarbe Schwarzer Menschen in Verbindung gebracht wurde. Im Mittelalter und der frühen Neuzeit diente dieser Mythos als religiöse Rechtfertigung für die Versklavung und Unterdrückung Schwarzer Menschen. Diese Ansichten breiteten sich ab dem 7. Jahrhundert durch den arabisch-muslimischen Expansionismus und ab dem 15. Jahrhundert durch den europäischen Kolonialismus weiter aus. Die negative Darstellung Schwarzer Hautfarbe und die angebliche „gottgewollte“ Unterwerfung bildeten die ideologische Grundlage für Kolonialismus und Versklavung. Philosophen wie Immanuel Kant und Georg Hegel trugen im 18. und 19. Jahrhundert dazu bei, rassistische Hierarchien zu verfestigen. Hegel sah Afrikaner sogar als außerhalb der Geschichte stehend.
Die Kriminalisierung Schwarzer Körper ist ein zentrales Merkmal des anti-schwarzen Rassismus, das sich in verschiedenen Fällen manifestiert. In Deutschland sind prominente Beispiele wie die Todesfälle von Amed Ahmad und Oury Jalloh zu nennen, die unter verdächtigen Umständen in Polizeigewahrsam starben. Darüber hinaus wird der Fall von George Floyd in Nordamerika als international relevantes Beispiel für die brutalisierten Erfahrungen Schwarzer Menschen betrachtet, das die globale Aufmerksamkeit auf die Problematik des Rassismus lenkte. Auch der Tod von unbewaffneten Schwarzen Demonstranten in Sharpeville, der zur Entstehung des Internationalen Tags gegen Rassismus führte, illustriert die langanhaltenden und tiefen Wurzeln anti-schwarzer Ereignisse weltweit.
In Deutschland leben über eine Million Menschen afrikanischer Herkunft, die in verschiedenen gesellschaftlichen Rollen agieren. Der Afrozensus 2020 liefert die erste umfassende Onlinebefragung zur Erfassung der Lebensrealitäten, Diskriminierungserfahrungen und Perspektiven Schwarzer, afrikanischer und afrodiasporischer Menschen in Deutschland. Diese Studie und weitere, wie der Bericht der EU-Agentur für Grundrechte (FRA) „Being Black in the EU“ (2023), zeigen, wie verbreitet anti-schwarzer Rassismus in Europa und insbesondere in Deutschland ist. Anti-schwarzer Rassismus betrifft somit Schwarze Menschen in allen gesellschaftlichen Schichten weltweit und überschneidet sich mit anderen Formen der Diskriminierung, wie Sexismus, Klassismus und Ableismus. Schwarze Frauen, insbesondere muslimische Frauen, erfahren beispielsweise multidimensionale Diskriminierung aufgrund ihrer Hautfarbe, ihres Geschlechts und ihrer Religion. Diese Mehrfachbelastung verstärkt die Benachteiligung und macht die Bekämpfung von ASR zu einer komplexen Aufgabe.
Während der Begriff “Schwarzsein” die Anerkennung und Eroberung der eigenen Identität betont, zielt anti-schwarzer Rassismus darauf ab, Schwarze Menschen zu entmenschlichen und den Antischwarz-Rassismus zu stärken. Antischwarz bezieht sich auf eine spezifische Form der Abwertung und Diskriminierung, die Schwarze Menschen trifft, unabhängig davon, ob sie in Afrika, der afroamerikanischen Diaspora oder in Europa leben. Diese Entmenschlichung
Schwarze Menschen und ihre Verbündeten haben seit Jahrhunderten gegen den Anti-schwarzen Rassismus gekämpft. Bewegungen wie die Anti-Apartheid-Bewegung in Südafrika und die Black Lives Matter (BLM)-Bewegung haben den Widerstand gegen institutionellen Rassismus weltweit sichtbar gemacht. Ein zentraler Aspekt dieser Bewegungen ist das Bewusstsein für die Intersektionalität von Rassismus. Der gemeinsame Widerstand von Schwarzen Menschen und anderen rassifizierten Gruppen, wie der muslimischen oder asiatischen Diaspora, stärkt den breiteren Antirassismus-Diskurs und fordert die bestehenden rassistischen Strukturen heraus.
30.09.2024
Mariette Nicole Afi Amoussou (Initiative: Black Academy (www.black-academy.org))
Literatur
- Afrozensus (2020): Afrozensus 2020 – Lebensrealitäten, Diskriminierungserfahrungen und Perspektiven Schwarzer, afrikanischer und afrodiasporischer Menschen in Deutschland.
https://afrozensus.de/, 30.09.2024. - Black Academy (o. J.): Über uns.
https://www.black-academy.org, 30.09.2024. - Crenshaw, Kimberlé (1989): Demarginalizing the Intersection of Race and Sex. In: University of Chicago Legal Forum, Vol. 1989, Issue 1, Article 8.
- EU-Agentur für Grundrechte (FRA) (2020): Being Black in the EU. Luxembourg: Publications Office of the European Union.
https://fra.europa.eu/en/publication/2020/being-black-eu, 30.09.2024. - Fanon, Frantz (1952): Black Skin, White Masks. London: Pluto Press.
- Goldberg, David Theo (2009): The Threat of Race: Reflections on Racial Neoliberalism. Malden: Blackwell Publishing.
- Kanyana, Mutombo (2023): Press Release. Schwarze in der EU sind immer größerem Rassismus ausgesetzt.
https://www.europarl.europa.eu/news/de/press-room/20231025IPR22312/schwarze-in-der-eu-sind-immer-grosserem-rassismus-ausgesetzt, 30.09.2024. - Lorde, Audre (1984): Sister Outsider. Berkeley: Crossing Press.
- Mbembe, Achille (2001): On the Postcolony. Berkeley: University of California Press.
- Sow, Noah (2008): Deutschland Schwarz Weiß: Der alltägliche Rassismus. München: C. Bertelsmann.
- EKR – Historische Wurzeln des Rassismus, https://www.ekr.admin.ch/f797.html
- Immanuel Kant und der Kolonialismus: Schwarze Zentral Europa, https://scholarlypublishingcollective.org/psup/cpr/article-abstract/10/2/137/318335/Introduction-Ontology-and-Blackness-a-Dossier?redirectedFrom=PDF
