Compton Cafeteria Riots
Die Compton Cafeteria Riots waren einer der ersten dokumentierten Aufstände von trans*Frauen und queeren Menschen allgemein gegen Polizeigewalt, die in der Nachkriegszeit bis in die 1960er-Jahre gegenüber queeren Menschen alltäglich war. Sie fanden 1966 in San Francisco statt. Die trans* Historikerin Susan Stryker konnte rekonstruieren, welche Dynamiken gerade zu der Zeit in dem Stadtteil Tenderloin zu diesem historischen Ereignis führten und wie im Anschluss in San Francisco erstmals in den USA trans* Personen institutionell unterstützt wurden (zu sehen in der Dokumentation „Screaming Queens“). Diese Ereignisse und die Compton Cafeteria Riots fanden drei Jahre vor den Stonewall Riots statt, die bis heute als Gründungsmoment der queeren Bewegung gelten. Die Compton Riots zeigen, dass trans* Personen sich bereits einige Jahre vorher gegen Repression zu Wehr setzten und erfolgreich für bessere Lebensbedingungen kämpften, denn im Gegensatz zu anderen früheren Ereignissen, in denen sich trans* und queere Menschen gegen Diskriminierung durch Cafés und Restaurants sowie gegen Polizeigewalt wehrten, wie z.B. 1959 im Café „Cooper’s Donuts“ in Los Angeles oder 1965 im Dewey’s Café in Philadelphia, führten die Compton Riots erstmals zumindest lokal zu nachhaltigen institutionellen Veränderungen.
Zu Beginn der 1960er Jahre war eine medizinische Transition in den USA noch nicht etabliert, eine trans* Identität im heutigen Sinne befand sich noch in der Entwicklung, die Grenze zwischen femininen schwulen Männern, Drag Queens und trans* Frauen war fließend. Ein offenes Leben als trans-feminin ging mit einer starken Marginalisierung einher, neben Drag Shows und Sexarbeit gab es kaum Möglichkeiten, den Lebensunterhalt zu bestreiten. Vor diesem Hintergrund war das Tenderloin, eine Art Rotlichtviertel in San Francisco, ein Ort, an dem sich viele trans* Frauen aufhielten, um der Sexarbeit nachzugehen und sich gegenseitig beim Überleben zu unterstützen. Die Polizei versuchte anscheinend auch aktiv, alle trans* femininen Personen, die sich sichtbar in der Stadt bewegten, in dieses Viertel zu „verbannen“. Dort waren trans* feminine Menschen der Misshandlung durch die Polizei ausgesetzt, u.a. durch willkürliche Festnahmen, körperliche und sexualisierte Gewalt. Die Compton’s Cafeteria war ein Fast-Food-Restaurant, das die ganze Nacht über offen war und daher von den trans* Frauen und anderen jungen queeren Menschen als Treffpunkt genutzt wurde. Inspiriert durch das Civil Rights Movement, die Schwarze Bürgerrechtsbewegung in den USA, gründete sich in diesem Kontext 1965 im Tenderloin „Vanguard“, eine frühe queere politische Gruppe junger Menschen für gay rights. Diese Gruppe begann 1966 Proteste vor der Cafeteria gegen die schlechte Behandlung der queeren Besucher*innen. An einem Abend im August 1966 rief das Personal der Cafeteria wie üblich die Polizei, um unliebsame Gäste entfernen zu lassen. Diesmal jedoch wehrte sich eine sog. queen, eine trans-feminine Person, indem sie dem Polizisten ihren Kaffee ins Gesicht schüttete. Dies war der Auslöser für mehrtägige gewalttätige Auseinandersetzungen mit der Polizei, bei der die Drag Queens und trans* Frauen die Polizei mit ihren Handtaschen und Stöckelschuhen attackierten. Die Riots fanden sozusagen am richtigen Ort zur richtigen Zeit statt. Unterschiedliche Entwicklungen, wie Civil Rights Aktivitäten durch die Kirche im Stadtteil, Koalitionen zwischen armen Schwarzen Communitys und unterprivilegierten Queers im Rahmen des Anti-Poverty-Program, der neue queere Aktivismus von Vanguard und die neue Option einer medizinischen Transition führten insgesamt dazu, dass die Riots nicht verpufften, sondern letztlich der Auslöser dafür waren, dass in San Francisco erstmals trans* Personen institutionelle Unterstützung erhielten, von Identitätskarten, die ihrer Geschlechtsidentität entsprachen, bis hin zu Ausbildungsplätzen. Denn nach den Riots kämpften die trans* Frauen weiter für ihre Rechte und gründeten u.a. die erste dokumentierte trans* Selbsthilfegruppe, „Conversion our Goal“ (COG). Conversion war der damals neue Begriff für die medizinische Transition („Umwandlung“). Besonders die ersten Identitätskarten verbesserten die Lebenslagen der trans* Personen, weil sie ihnen ermöglichten, Bankkonten einzurichten und reguläre Arbeitsverträge zu erhalten.
Die Compton Cafeteria Riots waren somit der erste dokumentierte Aufstand von trans* Personen, der für nachhaltige Veränderungen führte, und sie gingen den Stonewall Riots als Gründungsereignis der queeren Bewegungen der Nachkriegszeit voraus.
2023
Robin Bauer
Literatur
- Silverman, Victor/Stryker, Susan (2005): Screaming Queens: The Riot at Compton’s Cafeteria. Dokumentationsfilm.
- Stryker, Susan (2008): Transgender history. Berkeley, CA: Seal Press.