Patriarchat
Der Begriff Patriarchat (aus dem Griechischen für den Vater, der an der Spitze des Haushalts steht) beschreibt eine Gesellschaftsstruktur, in der Männer über Frauen und ggf. andere Geschlechter sowie Kinder herrschen. Frauen sind Männern im Patriarchat systematisch, z.B. in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht, untergeordnet. In einer patriarchalen Gesellschaft ist der Mann typischerweise das Oberhaupt in der Familie, dem Ehefrau(en) und Kinder unterstellt sind. Diese Ordnung setzt sich in der gesamten Gesellschaftsstruktur institutionell fort, indem z.B. Männer politische Entscheidungsmacht innehaben usw. Typisch für patriarchale Gesellschaften ist daher u.a. eine geschlechtsspezifische Arbeitsteilung, in der Männer z.B. für die Lohnarbeit und Produktion zuständig sind und Frauen für unbezahlte und ggf. auch bezahlte Reproduktions- bzw. Care-Arbeit (Kinderbetreuung, Pflege von Angehörigen, Sexarbeit usw.). Damit verbunden ist die Aufteilung in eine private und eine öffentliche Sphäre, innerhalb derer der traditionelle Ort für Frauen das Private ist. Konkrete Zuständigkeiten in der Arbeitsteilung sind allerdings kulturell und klassenspezifisch variabel. Patriarchale Gesellschaften sind klassisch patrilinear, d.h., dass die Verwandtschaftsverhältnisse, Namensgebung, Erbfolge usw. sich an der väterlichen Linie orientieren. Spuren dieser Traditionen zeigen sich noch darin, dass in Deutschland weiterhin Frauen bei einer Eheschließung häufiger den Namen des Ehemanns annehmen als umgekehrt, obwohl ihnen rechtlich mittlerweile alle Optionen freistehen.
Vom Patriarchat abzugrenzen sind matriarchale oder matrilineare Gesellschaften, in denen Frauen herrschen oder im Zentrum der Gesellschaftsstruktur stehen oder geschlechtersymmetrische Gesellschaften, in denen zwar gesellschaftliche Sektoren nach Geschlechtern differenziert werden, wie z.B. Zuständigkeit für Politik und für Wirtschaft, aber diese Bereiche gleichgestellt sind, sodass die Macht (zumindest in etwa) gleich verteilt ist. In der Forschung ist umstritten, ob es überhaupt matriarchale Gesellschaften gegeben hat.
Der Begriff des Patriarchats ist insofern hilfreich, als er Sexismus als grundlegende Gesellschaftsstruktur (anstatt z.B. lediglich individuelle Einstellung) analysieren kann. Gleichzeitig gibt es auch unterschiedliche Kritik am Begriff, u.a., dass er Veränderungen wie die rechtliche Gleichstellung von Frauen nicht berücksichtigt, dass er Gefahr laufen kann, Frauen lediglich als Opfer des Systems statt als handelnde Subjekte zu verstehen, was u.a. die Errungenschaften der Frauenbewegungen unsichtbar machen würde, oder dass die Analyse der Geschlechterverhältnisse allein nicht ausreicht, um das Patriarchat zu erklären, sondern z.B. Kapitalismus oder auch Verschränkungen mit anderen Machtverhältnissen wie Rassismus herangezogen werden müssen. Seit den 1990ern wird stattdessen z.B. von Geschlecht als Strukturkategorie gesprochen oder Geschlechterverhältnisse in ihrer Wechselwirkung mit anderen strukturellen Machtverhältnissen untersucht.
2023
Robin Bauer
Literatur
- Cyba, Eva (2010): Patriarchat: Wandel und Aktualität. In: Becker, Ruth/Kortendieck, Beate (Hrsg.): Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung. Theorie, Methoden, Empirie, 3. Erweiterte und durchgesehene Auflage. Wiesbaden: VS Verlag, S. 17-21.
- Geier, Andrea (2002): Patriarchat/Vaterrecht. In: Kroll, Renate (Hrsg.): Metzler Lexikon Gender Studies/Geschlechterforschung. Ansätze – Personen – Grundbegriffe. Stuttgart/Weimar: Metzler, S. 302-304.
- Lenz, Ilse (2010): Geschlechtssymmetrische Gesellschaften: Wo weder Frauen noch Männer herrschen. In: Becker, Ruth/Kortendieck, Beate (Hrsg.): Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung. Theorie, Methoden, Empirie, 3. Erweiterte und durchgesehene Auflage. Wiesbaden: VS Verlag, S. 30-36.