Promiskuität

Mit dem Begriff Promiskuität (Adjektiv: promisk) wird ein (relativ – aus Sicht der Norm –) häufiges Wechseln von sexuellen Partner*innen umschrieben. Der Begriff wird für eine Bandbreite von Beziehungspraxen verwendet, die nicht der Monogamie-Norm entsprechen und bleibt unscharf. In der Schwulenszene gibt es beispielsweise schon lange eine Kultur des anonymen oder flüchtigen Sex/Gelegenheitssex (casual sex), auch in öffentlich zugänglichen Räumen wie Parks oder öffentlichen Toiletten. Promiskuität ist in erster Linie ein abwertender Begriff und wird eher selten als Selbstbezeichnung verwendet.

Wer sich promisk verhält, verstößt potenziell gegen diverse zusammenhängende Normen: Die Monogamie-Norm, die besagt, dass man nur mit einer Person gleichzeitig eine sexuelle und/oder Liebesbeziehung führen soll; die Vorstellung, dass Sexualität immer mit Liebe einhergehen sollte; das Ideal der Dauerhaftigkeit von Beziehungen (also einer Logik der zufolge Beziehungen besonders wertvoll und gelungen sind, wenn sie ewig oder zumindest sehr lange bestehen) usw. Menschen, die sich nicht auf eine dauerhafte, exklusive Zweierbeziehung festlegen möchten, wird darüber hinaus auch häufig eine „Bindungsunfähigkeit“ unterstellt. Außerdem werden Frauen aufgrund der herrschenden Doppelmoral schneller und stärker aufgrund promisken Verhaltens (oder auch nur dem Anschein dessen) verurteilt, z.B. indem man sie als „Schlampe“ bezeichnet bzw. beschimpft. Männern wird es eher nachgesehen, bzw. sie werden sogar dafür gelobt, wenn sie „Erfolg bei Frauen“ haben. Jedoch werden in bestimmten Kontexten promiske Männer mittlerweile auch kritisch betrachtet, mit dem Vorwurf, dass sie Frauen sexuell ausbeuten oder ausnutzen.

Der abwertende Begriff der „Schlampe“ wurde sich von Frauen (und anderen) mittlerweile subversiv als Selbstbezeichnung angeeignet, um die Doppelmoral dahinter zu entlarven und das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung auch außerhalb der Norm einzufordern. So prägten Dossie Easton und Janet Hrdy den Begriff der „moralischen Schlampe“ (ethical slut). Eine moralische Schlampe lebt auf ethisch vertretbare Art (insbesondere im Einvernehmen aller Beteiligten) nicht-monogam/promisk und lebt Sexualität nicht nur im Rahmen romantischer Liebe, sondern z.B. auch der Lust willen, sei es mit Unbekannten, in Form von Affären oder mit Freund*innen (friends with benefits).

 

Menschen mit Behinderung werden häufig besonders kritisch daraufhin beäugt, ob ihre Beziehungspraxen von der Norm abweichen. Wenn sie sich z.B. promisk verhalten und keine feste, monogame Beziehung haben, wird manchmal unterstellt, dies sei „behinderungsbedingtes Fehlverhalten“ oder gar per se „gefährlich“. Problematisch sind wechselnde Partner*innen oder kurze sexuelle Beziehungen allerdings nur, wenn der Verdacht besteht, dass sie nicht im Einvernehmen stattfinden, also gegen den Willen mindestens einer beteiligten Person oder wenn ggf. notwendige Safer-Sex- Maßnahmen nicht beachtet werden (Verhütung, Prävention von sexuell übertragbaren Krankheiten). Dies gilt für alle Menschen ungeachtet dessen, ob eine Behinderung vorliegt oder nicht. Menschen mit Behinderungen dürfen selbst entscheiden, wie sie ihre Sexualität oder Beziehungen gestalten wollen, auch wenn dies nicht den gesellschaftlichen Erwartungen entsprechen sollte.

 

2023
Robin Bauer

Literatur

  • Barker, Meg/Langdridge, Darren (Hrsg.) (2010): Understanding Non-Monogamies. London: Routledge.
  • Easton, Dossie & Lizst, Catherine A. (1997): The Ethical Slut. A Guide to Infinite Sexual Possibilities. San Francisco, CA (Greenery Press).
  • Klesse, Christian (2007): The Spectre of Promiscuity. Gay male and bisexual non-monogamies and polyamories. London (Ashgate).