Transsexuellengesetz (TSG)

Das Transsexuellengesetz (TSG) regelt(e) seit 1981, unter welchen Bedingungen eine trans* Person ihren Namen und Personenstand ändern kann, um beides der Geschlechtsidentität bzw. dem gelebten Geschlecht anzugleichen. Anlass war ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1978. Das Gesetz stellte zum Zeitpunkt seiner Verabschiedung einen rechtlichen und gesellschaftlichen Fortschritt dar, weil es erstmals das Recht von ‚Transsexuellen‘ auf Ausweispapiere und Personenstand entsprechend der gefühlten und gelebten Identität verankerte und sich von der vormaligen rechtlichen Auffassung verabschiedete, dass das Geschlecht ‚natürlich‘ und unveränderbar sei. Gleichzeitig jedoch knüpfte das Gesetz die Möglichkeit der Veränderung an teilweise weitreichende Bedingungen.

Das TSG unterschied in zwei Möglichkeiten, die auch als ‚kleine Lösung‘ und ‚große Lösung‘ bezeichnet wurden. Die sogenannte kleine Lösung ermöglichte das Ändern des Vornamens. Hierfür benötigten die Antragsteller*innen zwei unabhängige Sachverständigengutachten, die u.a. das Vorliegen eines langjährigen Zwangs, in der entsprechenden Geschlechterrolle leben zu müssen, bescheinigten. Eine Selbstbestimmung der Geschlechtsidentität war somit nicht vorgesehen, jedoch machte der Namenwechsel keine körperlichen Veränderungen zur Pflicht. Die sogenannte große Lösung hingegen ermöglichte den Wechsel des Personenstands von männlich zu weiblich und umgekehrt und war nicht nur an zwei Gutachten, sondern an mehrere, weitreichende Bedingungen geknüpft: Die Antragsteller*innen mussten nachweisen, dass sie dauerhaft fortpflanzungsunfähig waren, dass sie die äußeren Geschlechtsmerkmale chirurgisch so verändert hatten, dass ihr Erscheinungsbild weitgehend dem anderen Geschlecht angepasst wurde und sie mussten ledig sein, d.h. ggf. bereits bestehende Ehen mussten geschieden werden. Der Gesetzgeber wollte damit verhindern, dass Männer Kinder gebären und Frauen sie zeugen könnten, dass die cis-normative Erwartung an die Übereinstimmung von Geschlechtseintrag und äußerem Erscheinungsbild irritiert werden könnte und dass es de facto zu gleichgeschlechtlichen Ehen kommen könnte. Diese Bedingungen führten einerseits dazu, dass einige trans* Personen auf die große Lösung verzichteten (in welchem Umfang ist bisher nicht erforscht worden), andererseits dazu, dass viele trans* Personen sich vor der (unmöglichen) Wahl sahen, zwischen Fruchtbarkeit, Ehe/Familie und der vollständigen, rechtlichen Anerkennung ihrer Geschlechtsidentität entscheiden mussten. Schutz bot hingegen das Offenbarungsverbot des TSG, das es auch staatlichen Stellen verbietet, nach abgeschlossenem Wechsel des Personenstands das alte Geschlecht und den alten Namen (auch ‚Dead Name‘ genannt) zu verwenden oder gegenüber anderen zu offenbaren.

Das TSG wurde aufgrund der Fremdbestimmung durch die Gutachten und die weitreichenden Eingriffe in das Privatleben immer wieder kritisiert und angefochten. Trans* Personen klagten sich in mehreren Verfahren erfolgreich bis zur Instanz des Bundesverfassungsgerichts durch, das seit 2005 nach und nach diese Bedingungen für verfassungswidrig erklärte, von den Regelungen zur Ehe über die Unfruchtbarkeit und körperlichen Anpassungen. Auch prominente Gutachter*innen sprachen sich schon vor Jahren dafür aus die fremdbestimmte Begutachtung abzuschaffen. Der Gesetzgeber reagierte jedoch über ein Jahrzehnt lang nicht auf die Urteile des Bundesverfassungsgerichts; kein Gesetz in der Geschichte der Bundesrepublik ist so häufig in Teilen für verfassungswidrig erklärt worden, ohne dass der Gesetzgeber tätig wurde.

Zum 1. November 2024 wurde das TSG endgültig durch das sog. Selbstbestimmungsgesetz (SBGG) abgelöst, das allen TIN* Personen ermöglicht, den Geschlechtseintrag auf Basis einer Erklärung auf dem Standesamt zu ändern.

2024
Robin Bauer

Literatur

  • Bundesverband Trans* (2024): Leitfaden Selbstbestimmungsgesetz. Informationen zur Änderung von Geschlechtseintrag und Vornamen nach dem SBGG. Berlin. https://www.bundesverband-trans.de/wp-content/uploads/2025/02/BVT-Leitfaden-SBGG.pdf, 25.02.2025.
  • de Silva, Adrian (2018): Negotiating the Borders of the Gender Regime. Developments and Debates on Trans(sexuality) in the Federal Republic of Germany. Bielefeld.
  • de Silva, Adrian (2012): Vom Sittenverfall zur Trans*_Homo-Ehe. Ausgewählte juristische Entwicklungen zu Trans* in der Bundesrepublik Deutschland. In: Time, Justin/Franzen, Jannik (Hrsg.): trans*_homo. Differenzen, allianzen, widersprüche. Differences, alliances, contradictions. Berlin: nono-Verlag, S. 149-154.
  • Zeitschrift für Sexualforschung (Hrsg.) (2013): Debatte zum Reformbedarf des Transsexuellengesetzes (TSG), in: Zeitschrift für Sexualforschung, 26. Jg., H.2, S. 143-187.