Weiblichkeit
Die Begriffe „weiblich“ und „Weiblichkeit“ beziehen sich u.a. auf Körper, die als weiblich kategorisiert werden, auf eine Identität als Frau, auf eine Art und Weise des Ausdrucks einer Identität nach außen auf eine juristische Kategorie (z.B. als Geschlechtseintrag) und/oder auf stereotype Merkmale und Eigenschaften, die mit Frauen verbunden werden. Die Begriffe „Weiblichkeit“ und „Femininität“ werden häufig synonym verwendet, in manchen Theorien aber auch unterschieden, jedoch sehr uneinheitlich, weswegen in diesem kurzen Glossarbeitrag auf eine Differenzierung verzichtet wird.
Es gibt Strömungen im Feminismus, die Weiblichkeit essenziell verstehen, als Wesen der Frau, abgeleitet aus den Spezifika von weiblichen Körpern, z.B. in feministischen Umdeutungen der Psychoanalyse. Überwiegend wird jedoch in der Geschlechterforschung und aktuellen feministischen Theorien davon ausgegangen, dass Weiblichkeit durch Bezug auf Geschlechterstereotype in alltäglichen Praxen und durch Institutionen hergestellt wird, wie z.B. im Doing Gender-Ansatz. Es gibt somit keine authentische Weiblichkeit, die sich etwa direkt aus weiblichen Körpermerkmalen oder einem weiblichen Wesen ableiten würde. Vielmehr entsteht Weiblichkeit konzeptionell immer in Abgrenzung oder gar als Gegenpol zu Männlichkeit; Frauen und alles mit ihnen vermeintlich verbundene Weibliche ist dabei das Andere, während Männer und Männlichkeit die Norm, der Standard sind. Weiblichkeit hat in patriarchal geprägten Gesellschaften/Kulturen immer auch die Funktion, Frauen nicht nur als das andere, sondern das minderwertige, als „das schwache Geschlecht“ darzustellen, das passiv, irrational, gefühlsbetont, beschützenswert, usw. sei. Frauen (und andere) können Merkmale, die als „typisch weiblich“ gelten, jedoch auch als Stärken oder allgemein positive, wertvolle Eigenschaften umdeuten und somit auch explizit oder implizit die Höherwertigkeit stereotyper Männlichkeitsideale infrage stellen. Beispiele einer solchen Wiederaneignung von Femininität oder Weiblichkeit unter anderen Vorzeichen finden sich z.B. bei lesbischen oder queeren Femmes oder im sog. Differenzfeminismus oder Separatismus, in dem sog. weibliche Eigenschaften im Sinne einer Gegenkultur zum Patriarchat aufgewertet wurden. In jedem Fall kann Weiblichkeit nicht unabhängig von der Herstellung und Aufrechterhaltung der Vorherrschaft von Männern verstanden werden.
Weiblichkeit/Femininität kann auch auf (endo cis) Männer bezogen werden, was angesichts der Abwertung von Weiblichkeit und zweigeschlechtlicher Normen in der Regel gesellschaftlich immer noch negativ bewertet wird als „effeminiert“, „tuntig“, usw. und mit einem Absprechen des „echten“ Mannseins verbunden sein kann. Gleichzeitig wird sich Weiblichkeit aber auch von Drag Queens , selbstdefinierten Tunten und nichtbinären Menschen, deren Körper aus der Sicht der Norm als männlich kategorisiert wird, positiv oder subversiv angeeignet. Da Frauen und andere Weiblichkeit unterschiedlich verkörpern, ausdrücken, sich aneignen, umdeuten usw., gibt es auch nicht die eine Weiblichkeit, sondern unterschiedliche Formen von Weiblichkeit. Auch aus intersektionaler Perspektive wird deutlich, dass Weiblichkeit nicht einheitlich ist, sondern in Wechselwirkung mit Race, Klasse, usw. unterschiedliche Arten von Weiblichkeiten im Plural existieren. Weiblichkeitsideale orientierten sich in der Regel implizit oder explizit an weißen, bürgerlichen Konzepten, denen Frauen, die z.B. harte körperliche Arbeit verrichten müssen, nicht entsprechen können. Bestimmten Frauen wurde und wird häufig ihre Weiblichkeit aufgrund von Rassifizierung, Be_hinderung, usw. abgesprochen oder zumindest ihre Art von Weiblichkeit nicht gleichwertig anerkannt oder stigmatisiert.
2023
Robin Bauer
Literatur
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- Skeggs, Beverly (1997): Formations of Class and Gender. Becoming Respectable. London/ Thousand Oaks/New Delhi: SAGE.